Proteinpulver: Braucht man es wirklich?

Der Handel mit sogenannten “Supplements” boomt und die mittlerweile erhältliche Auswahl an Sorten und Geschmacksrichtungen ist so groß wie nie zuvor. Whey Protein, veganes Erbsenprotein, Beef Protein, dieses Protein, jenes Protein, Schokoprotein... es wird so aggressiv beworben, als wäre es ein Grundnahrungsmittel. Nur braucht man Grundnahrungsmittel nicht zu bewerben. Schon mal Zuckerwerbung gesehen? Nein? Natürlich nicht. Den Zucker kaufen Sie nämlich so oder so.

All diese Produkte haben ihren Sinn und Zweck und ihre Daseinsberechtigung – das ist unbestreitbar.

Sie wissen beispielsweise, was Ascorbinsäure ist. Spätestens wenn ich die Ascorbinsäure “Vitamin C” nenne, wissen Sie, wovon ich spreche. Der Name ist etymologisch mit dem der uralten Krankheit Skorbut verwandt. Die Vorsilbe “A-” deutet bereits an, dass es sich hierbei um ein Gegenmittel handelt. Skorbut ist, wie sich Mitte des 18. Jahrhunderts herausstellte, eine Mangelerscheinung – genauer gesagt: Vitamin-C-Mangel. Gerade bei Seeleuten war es lange, lange Zeit eine der häufigsten Todesursachen. Seitdem bekannt ist, wie man diese Krankheit heilen bzw. ihr vorbeugen kann, ist sie in entwickelten Ländern weitgehend beseitigt worden. Mit frischem Gemüse und Obst sowie Nahrungsergänzungsmitteln ist sie leicht und unkompliziert behandelbar. Wer keinen Mangel an Vitamin-C hat, scheidet überschüssiges Vitamin C aus.

Wie Vitaminpräparate und andere Nahrungsergänzungsmittel ihrerseits nützlich sein können, so ist Proteinpulver auch hilfreich um einen ggf. vorhandenen Proteinmangel zu beheben und einem Mangel vorzubeugen. Angenommen, dieses Konzept ließe sich auch auf andere Nahrungsergänzungsmittel übertragen. Das heißt, Proteinpräparate wären nützlich zur Beseitigung eines etwaigen Proteinmangels. Wenn aber a priori gar kein Mangel besteht, wieso sollte man dann Proteinpulver einnehmen? Sinnlos, oder?

Es verhält sich bezüglich einer “Überdosierung” bei Proteinpräparaten aber anders als bei Vitamin C. Überschüssiges Protein wird nämlich nicht einfach wieder ausgeschieden sondern, soweit möglich, genutzt. Allerdings verfügt der menschliche Organismus nicht über einen Proteinspeicher. Überschüssiges Protein wird unter nicht unerheblichem Verdauungsaufwand in Kohlenhydrate umgewandelt. Sind unsere Kohlenhydratspeicher voll, wird jeglicher Nachschub in Fett umgewandelt und in dieser Form unseren Reserven zugeführt. Eine Rückumwandlung ist nicht möglich.

Felsenfester Überzeugung bin ich, dass die für Freizeitsportler oft postulierten Mengen, die man vorgeblich an Protein zu sich nehmen sollte, maßlos übertrieben werden. Ich habe zeitweise über 100 g Protein (aus echter Nahrung und Proteinpräparaten) täglich zu mir genommen. Das entspricht in etwa dem Protein, das in einem halben Kilogramm Rindfleisch oder Fisch enthalten ist.

Ich bin kein Experte für Proteinmangel, ich glaube aber, dass der Körper uns durch bestimmte Arten von Heißhunger auf Mangelversorgung mit Aminosäuren (Proteine bestehen aus A.) aufmerksam macht. Wir wollen dann z. B. das gesamte Wurstsortiment auf einmal verspeisen. Wenn wir keine Leistungssportler sind und unsere Gesundheit soweit in Ordnung ist, dass der Arzt keine von einem etwaigen Proteinmangel herrührenden Probleme feststellen kann, dann müsste doch alles im grünen Bereich sein.

Alexander Loewenstein

Autor

Schreibe einen Kommentar

Die mobile Version verlassen